Die sozialen und familiengeschichtlichen Verflechtungen des Hauses Fugger mit dem Adel Tirols von Martha Schad

Die wirtschaftlichen Beziehungen des Hauses Fugger zu Tirol sind durch Götz Freiherr von Pölnitz und Prof. Hermann Kellenbenz ausführlich erforscht und darge­stellt worden. Weniger beachtet ist in den bisherigen Studien zur Fugger-Geschichte der hohe Stellenwert von Familie und die enorme Bedeutung von Verwandtschaft. Durch eine kluge Partnerwahl entstanden nämlich soziale Verflechtungen, die Schritt für Schritt den Aufstieg der Familie Fugger bis zum endgültigen Konnubium mit dem Adel möglich machten. Eine solche Entwicklung blieb als außerordentliche Erscheinung auf das Haus Fugger beschränkt und der Genealoge Friedrich W. Euler nennt diesen Aufstieg »standesgeschichtlich« herausragend. <1> Die Konnubien mit dem Augsburger Patriziat, dem niederen Landadel, dem bayerischen Turnieradel, der Reichsritterschaft bis hin zu den gräflichen Häusern mit Reichsstandschaft sieht auch Katarina Sieh-Burens als »sichtbare Indikatoren des dynamisch sozialen Aufstiegs und der gezielten Heiratspolitik dieses Geschlechts« <2> Die sozialen Verflechtungen mit dem Adel Tirols überwogen bei weitem. Im Jahre 1613 wurden die Fugger in die Tiroler Adelsmatrikel aufgenommen. Was die Verbindungen mit dem Tiroler Adel bedeuteten, zeigen die aufwendigen Hochzeitsfeiern und die außergewöhnlich hohe Mitgift der aus dem Hause Fugger stammenden Bräute. Das Heiratsgut der jungen Freiinnen bzw. Gräfinnen betrug im 16. Jahrhundert fast durchweg 30 000 fl. Zum Vergleich sei hier das Heiratsgut der Braut des Georg Fugger (1560-1634), <3> Helena von Madruzzo, genannt, das nur 10 000 fl, betrug. Es darf ohne Einschränkung behauptet werden, daß ererbtes Vermögen von Fugger-Töchtern altem Tiroler Adel zu neuem Glanz verholfen hat. Das Haus Fugger verschwägerte sich mit den adeligen Häusern Firmian, Hendorf Lichtenstein-Karneid, Lodron, Madruzzo, Meggau, Spaur, Trautson, Welsperg und Wolkenstein. Die zahlenmäßig häufigsten Verbindungen entstanden mit den Familien Spaur und Welsperg.

Erzherzog Ferdinand II. als Ehevermittler

Die Herren von Welsperg waren seit 1500 Marschälle des Hochstifts Brixen, wurden 1539 in den Freiherrn- und 1593 in den Reichsgrafenstand erhoben. Als »Heiratsvermittler« <4> zwischen den Familien Welsperg und Fugger diente Erzherzog Ferdinand II., der selbst eine Augsburger Patrizierstochter, nämlich Philippine Welser, zur Gemahlin gewählt hatte. Der Erzherzog suchte für die Herren Christoph und Sigmund von Welsperg zwei reiche Bräute und schlug die Schwestern Adalberta (1560-1611) und Constantia (1568-1594) Fugger, Tochter des 1575 verstorbenen herzoglichen bayerischen Hofkammerpräsidenten Hans Jakob Fugger, vor. Der bayerische Herzog Wilhelm V., der die Fürsorgepflicht für die jungen Damen hatte, lehnte 1583 die Werbung des Freiherrn von Welsperg ab, weil die von ihm auserwählte Constantia Fugger noch nicht vierzehn Jahre alt sei und es »wille sich nit gezimen dasselb diser zeit zuverheiraten«. <5> Constantia heiratete 1592 den Oberstallmeister des Erzherzogs Ferdinand, Bernhard Freiherrn von Herberstein. Die vom Erzherzog gewünschte Ehe zwischen Christoph von Welsperg und Adalberta Fugger kam 1582 zustande. Christoph von Welsperg war Schloßhauptmann auf Schloß Rovereto, später in Bruneck. In Rovereto wurde dem Ehepaar ein Sohn geboren, der nachmalige Fürstbischof von Brixen Wilhelm von Welsperg. <6> Ein Enkel der Adalberta Welsperg-Fugger wurde Brixener Domherr, nämlich Vigil Max Wolkenstein-Trostburg (1683-1718). <7> Auch der Brixener Domherr Hieronymus Wolkenstein-Trostburg (1629-1648) hatte eine Großmutter aus dem Hause Fugger, Johanna (1558-1597), die seit 1576 mit Carl Graf Wolkenstein verheiratet war.

Josefa Gräfin Fugger (1710-1794) wurde die zweite Ehefrau von Friedrich Josef Bonaventura Welsperg. Dieser hatte 1691 in Felthurns die Tonsur erhalten, studierte in Innsbruck, »als er zufolge päpstlicher Provision 1691 persönlich Posseß vom Kanonikat«  <8> erhielt. Der Minorit entschloß sich zu freier Resignation des Kanonikats 1699 in Brixen. Er verließ den geistlichen Stand. In erster Ehe war er mit Maria Anna Gräfin Thun-Croviana verheiratet, nach ihrem Tod 1728 nahm er Josefa Gräfin Fugger zur Ehefrau.


Die Verbindung Fugger-Spaur

1566 vermählte sich Veronika Fugger (1545-1590) mit dem fürstbischöflichen Hauptmann von Brixen und Bruneck, Gaudenz von Spaur, ein altes Tiroler Rittergeschlecht, wurden 1472 in die Tiroler Adelsmatrikel aufgenommen und 1530 in den Freiherrn-Reichsgrafenstand erhoben. <9>  Aus der genannten Vebindung Fugger-Spaur ging der Brixner Domherr Ulrich Spaur hervor. <10>  In der Ahnenprobe der adeligen Brixner Domherrn erscheint Veronika Fugger als Großmutter des Domherrn Franz Spaur, der allerdings seinen geistlichen Stand verließ und in Salzburg 1624 Beatrix von Lodron, verwitwete von Welsperg, heiratete, die die Schwester des Salzburger Erzbischofs Paris von Lodron und Nichte der Sibylla Lodron-Fugger war, von der noch zu berichten sein wird.


Eine Tirolerin sorgt in Augsburg für Aufsehen: Ursula von Lichtenstein

Von dem bereits 1635 verstorbenen Ehepaar Raymund Fugger und Katharina Thurzo gingen drei Kinder Verbindungen mit Adeligen Tirols ein: Georg Fugger (1518-1569) wurde der Gemahl der Ursula von Lichtenstein, Veronika Fugger (1524-1558) vermählte sich mit Daniel Felix zu Spaur, Herr zu Welsch-Metz, Erbschenk der Grafschaft Tirol, und Barbara Fugger (1527-1573) heiratete Ferdinand von Vels (Völs), Erbkämmerer des Stiftes Brixen.

Als Vermittler dieser Ehen galt das damalige Familienoberhaupt im Hause Fugger in Augsburg, Anton Fugger, und kein geringerer als Christoph III. von Madruzzo, Fürstbischof von Trient und Brixen. Er war der Onkel der Braut des Georg Fugger, der Ursula von Lichtenstein (+ 1573 zu Bozen-Karneid), die, was sicher erstaunt, evangelisch war. <11> Die Lichtenstein waren Ministerialen der Bischöfe von Trient und der Grafen von Tirol seit dem 12. Jahrhundert. Sie wurden 1472 in die Tiroler Adelsmatrikel aufgenommen. <12> Nach Hirn war kein tirolisches Geschlecht des 16. Jahrhunderts so »gebrandmarkt« wie das Geschlecht der Lichtenstein. <13>  Von den drei Linien interessiert hier nur der Zweig des Landeshauptmanns Wilhelm, des Vaters der Ursula, und dessen Gemahlin, geboren von Statten. Herr des Schlosses Karneid war Ursulas Bruder Bartholoma von Lichtenstein, ein gefürchteter Tyrann, den weder Ausweisungsandrohungen des Erzherzogs Ferdinand II. noch Gefängnisaufenthalte zur Raison bringen konnten. Die beiden Schwestern der Ursula von Lichtenstein hatten in die Familien von Taxis und Spaur eingeheiratet. Die Spaur galten als die eifrigsten Anhänger des Protestantismus in Tirol.

Als besonders »eifrige und widerstandsmutige Protestantinnen« <14> galten in Tirol die verwitweten Gräfinnen Margaretha von Lichtenstein-Helfenstein und Johanna Gräfin Lichtenstein-Oettingen, die Witwen der Bruder der Ursula Fugger-Lichtenstein. Johanna schloß sich mit zahlreichen evangelisch gesinnten adeligen Damen zusammen und veranstaltete Disputationen. Als zwei landesfürstliche Visitatoren die Bibliothek der Margaretha nach haretischen Büchern durchsehen wollten, bekamen diese von der resoluten Dame kein einziges ihrer Bücher zu sehen, und sie zogen unverrichteter Dinge wieder ab. Sowohl ihr als auch ihrer Schwägerin wurde angedroht, das Land verlassen zu müssen. Margaretha Lichtenstein blieb in Tirol, Johanna zog 1569 zu ihren Verwandten nach Schwaben. <15> Die genannten Damen waren in ihrer Glaubenshaltung keine Einzelerscheinung in Tirol. Selbst Erzherzog Ferdinand II. schrieb über sie an seinen jüngeren Bruder: » ... die weibspersonen, die also verführt und zu einer andern religion gebracht werden, sind viel vergiffter und teuflhaftiger, als die, so in der sekterei geboren sind« . <16>  Aus dieser so stark vom Protestantismus geprägten Umgebung kam Ursula von Lichtenstein 1542 in das katholische Haus Fugger nach Augsburg, also in die Stadt, in der am 17. Januar 1537 vom Großen Rat die Einführung der Reformation beschlossen worden war.

Bis 1560 blieb die Tirolerin ihrem evangelischen Glauben treu. Doch dann gelang es dem seit 1559 in Augsburg weilenden Jesuiten Petrus Canisius Ursula Fugger sowie andere evangelische Familienmitglieder im Hause Fugger wieder zur katholischen Kirche zurückzuführen. Ursula konvertierte, und sie wurde zur großen Gönnerin der Jesuiten in Augsburg. Sie unternahm als einzige Frau im Hause Fugger eine Wallfahrt nach Rom und hatte dort eine Audienz beim Papst. Die verwitwete Fuggerin verbrachte ihren Lebensabend in ihrer Heimat Tirol, auf Schloß Karneid bei Bozen, wo sie 1573 verstarb. Ihre sterbliche Hülle wurde nach Augsburg überführt und in der Basilika St. Ulrich und Afra zur letzten Ruhe gebettet.  <17>

Welche eminent wichtige Rolle die Tirolerin Ursula Fugger-Lichtenstein für die erfolgreiche Rekatholisierung der Stadt Augsburg durch die Jesuiten spielte, spiegelt sich wider in der Tatsache, daß ihr im Dom zu Augsburg ein »Denkmal« gesetzt wurde. In dem zur Heiligsprechung des Petrus Canisius 1925 entstandenen Altar mit der überlebensgroßen Figur des Heiligen ist auch Usula Fugger dargestellt. <18>

Zwei Kinder der Ursula von Lichtenstein wählten ihre Ehepartner aus dem Tiroler Adel: Raymund Fugger (1553-1606) nahm zur Gemahlin Juliana von Heudorf (1559-1611). Die Familie Heudorf war 1550 aus Schwaben nach Tirol eingewandert und wurde wegen ihrer Verdienste um das Hochstift Trient mit dem Schloß Ossana belehnt. Ursula Fugger (1562-1602) war in erster Ehe mit Caspar Freiherr von Meggau (+1588) verheiratet.


Das Beziehungsnetz Fugger, Hohenems, Madrino und Medici - Georg Fugger und Helene von Madruzzo


 In der Genealogie des Hauses Fugger von 1904 erscheint bei Sibylla Lodron-Fugger die Bezeichnung »Heilige«. Im Fugger-Museum auf Schloß Babenhausen wird ein Bildchen von Sibylla gezeigt und diese als eine »Heilige« im Hause Fugger benannt. Wer war nun diese sogenannte »Heilige«? Sibylla stammte aus der kinderreichsten Familie des Hauses Fugger: sie hatte 20 Geschwister! <19>  Ihre Eltern waren Georg Fugger (1560-1634), ein Sohn der Reichsgräfin Sibylla von Eberstein und des Marx Fugger, und Helene, Tochter des Freiherrn Fortunat von Madruzzo und der Margarethe Gräfin von Hohenems, Nichte des Papstes Pius IV. Die Großmutter mütterlicherseits war Chiara de' Medici aus Mailand. Einer ihrer Brüder, Gian Giacomo de Medici, Marchese von Marignano, war der gefürchtete Kastellan von Musso am Comersee, ein weiterer Bruder, der Geistliche Gian Angelo de'Medici, wurde 1549 zum Papst gewählt, der schon erwähnte Pius IV. So waren die »Mutter deft heiligen Caroli, und die Mutter der Ahn-Frauen Sybillae beyde Schwestern Pabstns Pii deft Vierten auft dem Hauft der Mediceer« <20>

Georg Fugger heiratete somit in eine der angesehensten Familien ein. Die beiden Onkel der jungen Braut wurden erfolgreiche Persönlichkeiten: Jakob Graf Hannibal von und zu Hohenems (1530-1587), Heerführer auf vielen Kriegsschauplätzen, war 1565 von seinem päpstlichen Oheim, Pius IV., zum Generalgubernator von Rom und dem Kirchenstaat ernannt worden. Doch der Nepotismus war noch zu steigern durch die vom Papst in Rom eingesegnete Ehe Jakob Hannibals mit Hortensi sa Borromei, Gräfin von Arona, der jüngeren Stiefschwester des später heiliggesprochenen Karl Borromäus. <21> Mark Sittich von und zu Hohenems (1533-1595), ursprünglich ein Haudegen wie sein älterer Bruder, wurde 27jährig Kardinal und 1562 Fürstbischof von Konstanz.

Der Vater der Braut, Fortunat Freiherr von Madruzzo, entstammte »einem angesehenen Geschlecht aus den welschen Konfinen, das sich stets ein gewisses Maft an Selbständigkeit gegenüber den Landesherren bewahrt hatte«. <22> Die Herren von Madruzzo, schon reich begütert, verstanden es durch vorteilhafte Heiraten weiteren Besitz im Aostatal, in Savoyen, Spanien, Piemont und Lothringen zu erwerben. Die Familie Madruzzo stellte 119 Jahre lang die Fürstbischofe von Trient (1539-1658)! Somit war die weltlich-geistliche Regierung in der Hand der Familie Madruzzo.

Der junge Augsburger Georg Fugger ist bereits ab 1580 in Trient nachweisbar. Dort wurde am 31. Januar 1581 der Heiratsvertrag unterzeichnet durch Christoph von Wolkenstein, Baldassare Trautson und Giovanni Gaudenzio di Spaur. Im Heiratsvertrag <23> wurde festgelegt, daß die Hochzeit selbst erst in vier Jahren stattfinden solle, um dem Bräutigam die Möglichkeit zu geben, »viaggiare e conoscere genti e paesi diversi«, da das junge Mädchen Helene weder bereit ware, ihre Eltern noch ihr Heimatland zu verlassen. Das Fräulein würde »la mana di sposa al ricco banchiere di Augusta« nur nehmen, wenn dieser in Trient ansässig würde.

Als am 3. Februar 1583, also zwei Jahre früher als ursprünglich festgelegt, die Vermählung des Georg Fugger mit der welschen Gräfin Helena von Madruzzo unter großer Prachtentfaltung in Trient gefeiert wurde, hatte der Name des Gesamthauses Fugger noch einen guten Klang. Doch es dauerte nicht lange, bis sich herausstellte, daß die Trientiner Braut aus dem Hause Madruzzo; Hohenems einen der schillerndsten Fuggersprößlinge als Bräutigam bekam, für sie ausgewählt von ihrem Vater Fortunat Freiherr von Madruzzo, in Übereinstimmung mit Georg Fuggers Vater Marx. Es mag sein, daß die bedeutenden verwandtschaftlichen Beziehungen erdrückend auf Georg Fugger lasteten. In seiner beruflichen Laufbahn mißlang ihm, was immer er begann. Er brachte es zwar zu einigen wohlklingenden Titeln und Ämtern wie Ratsherr von Augsburg, kaiserlicher Rat, Hofratsvizepräsident und kaiserlicher Orator bei der Republik von Venedig (1608-1610), <24> doch am Ende seines Lebens besaß er nichts mehr, weder Amt noch Würden, weder Gut noch Geld, und seine Familie hatte entsprechend zu leiden. Dabei begann das gemeinsame Leben des jungen Paares sehr harmonisch. Nach der Hochzeit in Trient zog es nach Augsburg und wohnte in einem der Hauser am Weinmarkt, dem Siegelhaus gegenüber. Der junge Mann wurde in den Kleinen Rat der Stadt berufen, seine Frau Helena war eine der zahlreichen großzügigen Stifterinnen des Hauses Fugger zur Ausstattung der Kirche St. Salvator des Jesuitenkollegs. 1593 verließ die junge Familie mit bereits acht Kindern Augsburg »um etlicher Ursachen willen«, <25> die uns aber der Chronist verschweigt. Er kannte sicher den Trientiner Heiratsvertrag nicht, nach dem Gräfin Helena weder ihre Eltern noch ihr Land verlassen wollte. So erstaunt es um so mehr, daß das Paar in Augsburg Wohnsitz nahm und dort zehn Jahre blieb. Möglicherweise wünschte die Gräfin nach Trient heimzukehren.

Das Ableben von Georgs Bruder Philipp, 1601, gab Anlaß zur Rückkehr nach Augsburg. Obwohl der Vater, Marx Fugger, in seinem Testament von 1592 ausdrücklich festgelegt hatte, daß innerhalb der folgenden 24 Jahre nach seinem Tod keine Gütertrennung unter den Brüdern erfolgen sollte, wurde eine solche am 9. 7. 1601 vorgenommen. Schon 1602 fing Georg an, seine in den Landgerichten Höchstädt und Graisbach gelegenen Güter an Pfalz-Neuburg zu verkaufen. Bei der Übernahme der väterlichen Güter verfügte Georg mit seiner Familie über eine jährliche Rente von 20 000 fl. Diese Rente ließ er sich gegen eine Summe von 194 750 fl. ablösen. 1606 verkaufte er sein Augsburger Haus am Weinmarkt an die Vormünder der Söhne seines Bruders Philipp.

In Trient erwarb das Ehepaar Grundstücke und Häuser für ca. 40 000 fl. Dort widmete Georg Fugger sich einer fesselnden Beschäftigung: er ging mit dem »Goldmachen ... schwanger«. <26>  Es gab kaum einen Gebildeten, der sich der Mode seiner Zeit folgend nicht mit der Alchernie und Astrologie beschäftigt hätte. Das Interesse an der Alchemie entsprang wohl oft einem Forschungstrieb, andererseits war die Beschäftigung damit eine Quelle von Täuschungen und Betrügereien. Deutsche Landesfürsten, der Tiroler Gubernator Erzherzog Maximilian, auch Ferdinand II., hatten eigene chemische Küchen. In Tirol trieb ein Medicus Dr. Daniel Keller mit seinem angeblichen Arcanum der Goldmacherkunst sein Unwesen, der selbst »einem berechnenden Fugger Tausende aus der Tasche zu locken vermochte<27>  Georg Fugger gab in seinen Briefen nach Augsburg fortwährend Bestellungen für teuere chemische Utensilien auf.

1602 beauftragte Georg Fugger den aus Brescia stammenden Architekten Pietro Maria Bagnadore (1550-1619), einen mächtigen dreigeschossigen Palast an der Via Lunga, damals am Ufer der Etsch, zu erbauen, der im Volksmund bezeichnenderweise »Palazzo del Diavolo« genannt wurde; <28> es ging nämlich die Sage, daß der Teufel den Palast in einer Nacht erbaut habe und Georg Fugger ihm dafür seine Seele verschrieben habe. Wer die alchemistischen Neigungen des Georg Fugger kannte, wußte schon, daß »il palazzo fosse teatro di operazioni diaboliche«. <29>  Der Palast ging 1642 in den Besitz des Oberbefehlshabers des Heeres von Ferdinand II., Matthias Gallas über. Johann Wolfgang von Goethe, der 1786 in Trient übernachtete, sagte von dem Palazzo, daß er »das einzige Gebäude von gutem Geschmack« sei, das er in Trient gesehen habe.  <30>  Die im palladianischen Stil erbaute Villa heißt heute Palazzo Galasso bzw. Palazzo Fugger-Galasso.

Bereits 1596 forderte Georg Fugger im Namen seiner Brüder Anton, Philipp und Albert von Ludovico Madruzzo als Lehen die Villa Margone, die nach 1580 aus dem Besitz der noblen Familie Bassa wegen nicht vorhandener männlicher Erben in den Besitz der Kirche von Trient übergegangen war. Ludovico gab, angesichts der außergewöhnlichen Verdienste des Georg Fugger dem Gesuch statt! Helena, seine Frau, war die Nichte des Ludovico Madruzzo! <31> Solange Georg Fugger der Besitzer war, »si lambiccava di fumo a forza d'Alchimia«. <32> Die wunderschöne Villa erreicht man über Ravina. Sie steht auf einem hoch an der Flanke des Bondone gelegenen Plateau.  <33>

Am kaiserlichen Hofe stand Georg Fugger anfänglich in großer Gunst, denn er wurde zum kaiserlichen Rat und Reichshofratvizepräsidenten ernannt. Doch wie wenig er dazu geeignet war, zeigt u. a. folgende Tatsache: Im Jahre 1606 gewährte er Kaiser Rudolf II., der sich in großer Finanzverlegenheit befand, ein Darlehen von 50 000 fl. zu 6 % Zinsen, dazu mußte Fugger selbst bei einem Bankier in Frankfurt zu 7 % Geld aufnehmen. 1608 bewarb sich Georg Fugger um die Stelle eines kaiserlichen Orators bei der Republik Venedig, ein verantwortungsreicher Posten, allerdings ohne die geringste Remuneration. Nach zweijährigem Dienst als kaiserlicher Gesandter bat er um seine Entlassung, da er den erwarteten Aufwand für diesen Posten nicht mehr aus eigener Tasche bestreiten konnte. Die Geldmittel waren erschöpft im Hause Fugger durch einen viel zu aufwendigen Lebensstil und durch den Kauf der beiden pfandherrschaften Enn und Kaldiff von Graf Anton Trautson für 49 000 fl. <34> Georg Fugger hatte an Trautson sogar weitere 15 000 fl. bezahlt, wenn dieser eine Prolongierung der Pfandverschreibung beim Erzherzog für ihn erwirkt hatte. Hinter dem Rücken des Erzherzogs Maximilian, des Regenten von Tirol, erreichte Fugger beim Kaiser die Prolongierung des von Trautson übernommenen pfandes. »Darin lag zundchst eine jener nicht seltenen Verletzungen des Prager Rezesses, deren sich der Kaiserhof schuldig machte«. <35> Erzherzog Maximilian ließ die Güter wieder an die Erben Trautson zurückgehen. Doch Fugger dachte nicht daran, die Burgen zu räumen. Mit der Begründung, er konne in Tirol kein Recht finden, wandte sich Georg Fugger an das Reichskammergericht in Speyer, was eine Beleidigung der Majestät darstellte, denn die österreichischen Freiheitsbriefe untersagten jeden Appell nach Speyer. Der Freiherr Fugger »war förmlich erfinderisch in den Mitteln, um den Erzherzog zu reizen«. <36> Doch der Gubernator war entschlossen, ein Exempel zu statuieren, und die strittige Angelegenheit endete mit der Inhaftierung des unbeugsamen Freiherrn, ausgeführt ausgerechnet durch Fürstbischof Madruzzo. Dieser wollte seinen Verwandten nicht ausliefern und hielt ihn auf dem bischöflichen Stadtkastell Bonconsiglio fest. Doch Maximilian ließ Fugger ergreifen und im Dezember 1614 in Innsbruck arretieren. Mehrere Wächter hatten dafür zu sorgen, daß er nicht entkomme. Die Kosten für den Transport in das Gefängnis, das Kostgeld für den Gefangenen und den Lohn für die Wächter bestritt einstweilen die Kammer, hatte dies aber auf Fuggers Konto zu setzen. In seinem Innsbrucker Arrest komponierte Fugger folgendes Pasquill: »Comprator senza argento, Spogliato senza sentenza, Reo senza debito, Litigante senza judice<37>

Die Inhaftierung eines Fugger sorgte für entsprechendes Aufsehen, selbstverständlich nicht nur in Tirol; denn die Erzherzöge Albrecht, Ferdinand, Max Ernst, Leopold und Karl wurden unterrichtet, da es durch Fuggers Anrufung des Kammergerichts in Speyer zu großen Widerwärtigkeiten zwischen dem Hause Österreich und den Reichsständen hätte kommen können. In Augsburg war man auf das peinlichste berührt. Sieben Mitglieder des Hauses Fugger richteten nach Innsbruck die Bitte urn Freilassung. Erst als sich Fugger zur Revokation in Speyer bequemte, wurde er freigelassen, unter allerhand Auflagen, die er wieder nicht erfüllte. Die ganze Verwandtschaft aus Augsburg, die Verwandten seiner Frau und die Verwandten seines Schwiegersohnes waren ständig bemüht, Georg Fugger aus allen Mißlichkeiten zu befreien. Seine Gattin Helena Fugger-Madruzzo und Erzbischof Paris von Lodron bestürmten den Erzherzog mit Bitten. Der in Innsbruck erfolgte Urteilsspruch wegen Privilegienverletzung brachte eine Geldstrafe von 18 000 fl. <38> Fugger bezahlte nicht. Er verließ zu Beginn des Jahres 1616 den unsicheren Boden Tirols und zog nach Padua. Er nahm »neun Truhen, Hausgerdte, Seidenwaren und Tapetzereien« <39> mit.

Maximilian ließ das Fuggersche Vermögen mit Sequester belegen. Wie Bischof Madruzzo an Maximilian schrieb, seien die Güter in Trient so belastet, daß man sie nicht »arrestieren« könne, denn Georgs Familie müsse doch auch etwas zum Leben haben. Außerdem bestätigte Bischof Madruzzo, was schon Oberst Gaudenz Madruzzo als Fürbitter bei Maximilian vorgetragen hatte, daß nämlich Fugger »in sein alte vor jahren gehabte krankheit gefallen mit verlierung seiner vernunft«. <40> Das schlimmste am Verhalten Fuggers war die Tatsache, daß er nach seiner Flucht auf Venediger Boden nicht etwa versuchte, den Erzherzog zu begütigen, sondern Öl in das Feuer goß. 1621 wandten sich die Augsburger Verwandten an den Kaiser mit der Bitte, er möge zur Versorgung der Güter des Freiherrn, da er dauernd abwesend, einen Administrator einsetzen. Dies geschah denn auch. Georgs Sohn Nicolaus wurde mit der Aufgabe betraut. Helena Fugger-Madruzzo blieb in Trient. Sie hatte im Zeitraum von 1583 bis 1611 einundzwanzig Kindern das Leben geschenkt, darunter auch einem Zwillingspaar. Elf Kinder verstarben im Jahr ihrer Geburt! Von dem erfahrenen Tiroler Arzt Guarinonius <41> erfahren wir die Ursachen für die Säuglingssterblichkeit ganz speziell auf Tirol bezogen. Er setzt diese mit 90 Prozent an. Von ca. 1000 Säuglingen in Nordtirol, die jährlich geboren wurden, überlebten nur ca. 100 Kinder. Eine der Ursachen war die Überfütterung der Säuglinge mit kochendheißem Brei, was zu Magen- und Darmbeschwerden führte und die Kinder kaum überleben ließ. Zudem nährten viele Ammen die Säuglinge bereits mit »Ordinari Wein«. <42> Periodisch grassierenden Epidemien waren die geschwächten Kinder nicht gewachsen. Die hohe Sterblichkeit hing aber auch damit zusammen, daß durch die fast alljährlichen Geburten die geschwächten Frauen anfällige und schwache Kinder zur Welt brachten. Doch selbst der sittenstrenge Guarinonius hielt es für den Normalfall, daß die Männer ihre Frauen »mit ihrer jährlichen Frucht erfreuen«. <43>

Das Kindbett war, so erfahren wir, für Tiroler Frauen ein Hauptanlaß für unmäßige Speisenaufnahme. So galt die Leibesfülle als beste Voraussetzung für Gesundheit und Fruchtbarkeit. Bei dem übermäßigen Essen ließen sich die »Weiber ebenso keck, und so starck als die Männer voll ansaufen«. <44>

Zu den häufigen Geburten und Todesfällen im Hause Fugger in Trient kam auch noch, daß die finanzielle Lage immer schwieriger wurde. Das die Zeit vom 30. April 1610 bis 19. Juli 1614 umfassende Kopialbuch der Briefe des Georg Fugger läßt die jammervolle Lage der Familie erkennen. <45> Viele Besitzungen in Trient und am Gardasee kamen unter den Hammer, die Pfandherrschaften Enn und Kaldiff waren längst wieder an die Erben der Grafen Trautson gegangen, und Georg Fugger wurde nur der ursprüngliche Kaufpreis erstattet; die hohen Umbaukosten waren verloren. Es scheint, als haben die wohlhabenden Verwandten der Helene Fugger, die Familien Madruzzo und Hohenems, immer wieder finanzielle Unterstützung gewährt, um wenigstens dem Sohn Nicolaus Fugger ein ordentliches Studium in Bologna und Padua ermöglichen zu können. Es war auch der Unterhalt aufzubringen für die beiden in das Mailander Kloster St. Martha 1611 eingetretenen Töchter, Helena und Elisabeth, wie auch für den Sohn Ludwig, der dem Kapuzinerorden beitrat.

Doch es sollte noch schlimmer kommen: Das versprochene Heiratsgut <46> für die Tochter Margaretha, das übermäßig hoch war, konnten die Brauteltern nicht aufbringen, und der Schwiegersohn, Franz Caretto, Marchese van Grana und Millesimo, verklagte seinen Schwiegervater beim fürstbischöflichen Gericht in Trient. Erzherzog Leopold von Österreich wies die burgauischen Beamten an, Marchese Caretto die in der Markgrafschaft Burgau liegenden Güter des Georg Fugger zu übertragen. Die Augsburger Verwandten liefen dagegen Sturm, und schließlich einigte man sich darauf, daß Bruder Nicolaus für das nichtbezahlte Heiratsgut seiner Schwester aufkam.

Der einzige überlebende Sohn Nicolaus (1596-1676) <47> war, wie schon erwähnt, von Kaiser Ferdinand II. zum Administrator der stark verschuldeten Besitzungen seines Vaters bestimmt worden und damit in eine schwierige Lage gekommen. Der Kaiser ernannte den Augsburger Bischof Heinrich als Vermittler zur Beilegung aller Schwierigkeiten und betraute ihn mit der Untersuchung der von Nicolaus geführten Verwaltung der väterlichen Güter, da von Trient fortwährend Klagen einliefen, daß die dortigen Gläubiger nicht befriedigt wurden und Nicolaus seine Mutter und seine Schwestern darben lasse. Da Bischof Heinrichs Nachforschungen erfolglos blieben, wurde vom Kaiser 1626 zusätzlich der Propst von Ellwangen bemüht. Es kam zu der Einigung, daß die Trientiner Gläubiger mit dem Ertrag der Verkaufe in Trient befriedigt werden sollten, die deutschen Gläubiger mit den weniger belasteten deutschen Gütern.

Nicolaus hatte nicht nur seinen eigenen Hausstand zu bestreiten, sondern auch den seiner Mutter und seines Vaters. Die Ehe der Eltern war längst zerbrochen: Der Vater wohnte in Padua, und an ihn hatte der Sohn 100 fl. monatlich zu überweisen. Die Mutter in Trient sollte 250 fl. vierteljährlich erhalten. Es war zwar bestimmt worden, der Sohn solle die Mutter bei sich aufnehmen, doch sie war »wegen Leibesschwerheit und dergleichen nicht von Trient herauszubringen«. <48>

Gräfin Helene Fugger verbrachte ihren Lebensabend in Trient. Von ihren 21 Kindern hatten nur sechs das Erwachsenenalter erreicht. Drei Kinder traten einem Orden bei, der Sohn Nicolaus lebte in Schwaben, die Tochter Margaretha Caretto auf Schloß Schönkirchen, nur die Tochter Sibylla blieb in der Nähe der Mutter.

Sibylla Lodron-Fugger, Stifterin des Klosters San Carlo in Rovereto

Sibylla war am 14. November 1585 als 3. Kind des Ehepaares Helena und Georg Fugger in Riva am Gardasee geboren worden, einer Stadt, die dem Bischof von Trient gehörte. Dort hatte sich eine Schwester ihrer Mutter vermählt, und da in Augsburg urn diese Zeit »die leidige Sucht sehr übel hauset«, blieb die schwangere Helene Fugger bis zur Geburt des Kindes in Riva. Aus der Taufe hat das Mädchen die Schwester ihres »Ahn-Herrn Fortunati Madruzzi gehebt, eine Dama von ungemeiner Frommkeit und Gottes Forcht«. <49> Das Kind bekam eine gar sorglose Amme, die »nit allein ihre Ambts zimlich vergessen, sondern noch darzu gar hart und scharpf mit der Sybilla umgienge, also daft sie das Fräulein so gar auft der Wiegen hinauft warffe«. <50> Sibylla war eines der Kinder, das in der signorilen Villa Margone aufwuchs, zunächst noch umgeben von Reichtum und Ansehen.

Am 13. Januar 1602 ging Sibylla als die älteste überlebende Tochter des Ehepaares Fugger-Madruzzo eine standesgemäße Ehe ein mit Maximilian Graf von Lodron, Herr zu Castelnuovo und Castellano, Römisch Kaiserlicher Kämmerer. <51>  Sicher eine große Freude für die Mutter Helene Madruzzo, die unter der Obhut ihrer Großmutter aus dem Hause Medici zu einer äußerst gebildeten Dame erzogen worden war. Der Vater der Braut, Georg Fugger, war damals auch noch in der Lage, seine Tochter mit einem ansehnlichen Heiratsgut in Höhe von 12 000 fl. auszustatten. <52>  Die Reichsgrafen von Lodron sollen vom römischen Consul Plautius, oder von den Lateranensern abstammen, sie besaßen das Erbmarschallamt im Erzstift Salzburg und mehrere Güter in der Steiermark. Im Jahre 1452 erhob sie Kaiser Friedrich III. in den Grafenstand. Die Grafen von Lodron haben »jahrhundertelang dafür gesorgt, daß in Judicarien keine Langeweile aufkam«, <53> denn die Familie war nicht nur mit sich selbst zerstritten, sondern lag auch mit den Arco, Castelbarco, Agrest u. a. in Streit. Erzherzog Ferdinand erhob gegen die Herren Lodron Klage zweifacher Art: »Sie störten durch ihr banditenhaftes Fehdewesen die so wünschenswerte Ruhe an der südlichen Landmark, und sie verweigerten für sich und ihre Untertanen jede Beteiligung an dem tirolischen Steuerwerk«. <54> Die Lodrons stellten kaiserliche Feldhauptleute, deren berühmtester, Ludwig Lodron, 1537 mit seinem Tiroler Fähnlein in der Schlacht von Esseg gegen die Türken den Heldentod fand. Später wandten sie sich nicht weniger erfolgreich den geistlichen Würden zu. Hier sei vor allem der Neffe der Sibylla Lodron-Fugger, Paris Lodron, Erzbischof von Salzburg genannt, der als einen seiner denkwürdigen Vorgänger den Augsburger Patriziersohn und Privatsekretär Kaiser Maximilians I., Matthäus Lang, hatte, dessen Schwester Appolonia mit einem Sproß des Hauses Lodron vermählt war.

Der Palazzo Lodron steht in Trient an der Via Calepina. Das begüterte Ehepaar Fugger-Lodron <55> nahm seinen Wohnsitz in Villa Lagarina. Die Eheleute galten als sehr fromm und wohltätig. Sibylla, der selbst Kinder versagt blieben, nahm sich vor allem der Waisenknaben in Rovereto an, verhalf ihnen zu einem Studium und jungen Mädchen durch eine Aussteuer zur Heirat. Die Gräfin hatte sich auch eine Apotheke einrichten lassen, in der sie selbst tätig war.

Nach 32jähriger Ehe verstarb Graf Maximilian Lodron. Der Mystiker Thomas von Bergamo, Laico cappucino, der ein ständiger Gast im Hause Lodron war, beschwor Sibylla mitzuhelfen, in Rovereto ein Frauenkloster zu gründen, zusammen mit der ihr seelenverwandten Bernardina Floriani aus Borgo, die später den Klosternamen Giovanna Maria della Croce trug. <56> 1642 entschloß sich die Witwe Sibylla, einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens für eine Klostergründung zu stiften und die aus 18 Frauen bestehende klösterliche Gemeinschaft zu unterhalten sowie die Kirche San Carlo in Rovereto zu kaufen. Es begann eine schwere Zeit für Sibylla, da sie in Erbauseinandersetzung mit der Familie Lodron verwickelt war, und weder der fürstbischofliche Hof noch die Stadt Rovereto mit der Klostergründung einverstanden war. Erst 1646 wurde die päpstliche Erlaubnis zur Gründung des Klarissenklosters von Innocenz X. erteilt. 1650 erhielten alle in der klösterlichen Gemeinschaft lebenden Frauen das Ordenskleid. Sibylla fühlte sich zu schwach, im fortgeschrittenen Alter von 65 Jahren dem strengen Klarissenorden beizutreten. Sie bekam deshalb von Rom die Erlaubnis, als Schwester des Dritten Ordens des heiligen Franziskus im Kloster zu leben. »La contessa Sibilla, nata Fuccher, lontana parente di S. Carlo Borromeo, fu ammessa come Terziaria<57> Sibylla nahm den Klosternamen Anna Maria di Gesu an. Sie wurde schon zu Lebzeiten als »heiligmäßige Gräfin« benannt. Doch weder sie noch die ihr so eng verbundene Mystikerin Giovanna Maria della Croce, Äbtissin des Klarissenklosters, wurde selig- oder heiliggesprochen. In ihrem 78. Lebensjahr starb Sibylla. Padre Marcellino Armani aus Rovereto hielt die Leichenpredigt, die gedruckt wurde. <58> Über ihren Tod hinaus wurde Sibylla zur Stifterin. Ihr Vermächtnis in Höhe von 3 000 fl. war für die Gründung eines weiteren Klarissenklosters in Borgo, Val Sugana, bestimmt.

Auf Befehl Kaiser Josephs II. wurden am 25. Februar 1782 die Klarissenkloster aufgelöst. Die Kirche San Carlo wurde in eine Fleischhalle umgewandelt, 1846 aber wieder als Gotteshaus geweiht. Im ehemaligen Klarissenkonvent befindet sich heute das Istituto Venerabile Giovanna Maria della Croce, ein von Schwestern geleiteter Kinderhort.

In den Kirchenbüchern von Villa Lagarina findet sich unter dem 13. Juli 1663 der Eintrag: »mori ... fondatrice del monastero di San Carlo di Rovere, chiamata la madre Anna Maria di Gesu con grande santita<59>

Sibylla Lodron-Fugger hatte verwandtschaftliche Beziehungen zum Klarissenkloster in Brixen. Dort trat Anna Maria Fugger (1624-1703) 1640 in das Kloster ein, legte 1643 Profeß ab und wurde 1661 Äbtissin.

Oberinnen der Ursulinerinnen in Innsbruck wurden Maria Anna Magdalena Fugger (1656-1738) und Maria Antonia Judith Fugger (1671-1738). Maria Franziska Johanna wurde Äbtissin des adeligen Damenstifts zu Hall. Zum Schluß sei noch darauf hingewiesen, daß das Haus Fugger 67 Jahre lang Besitzer der Schlösser Matzen und Tratzberg war. Durch die Heirat des Jakob Fugger (1542-1598) 1570 mit Anna Ilsung von Tratzberg kam Tratzberg, und durch den Verkauf des Schlosses durch die Schwester der Anna Ilsung, Susanna Schellenberg zu Kißlegg, kam Matzen an die Fugger. 1657 wurden beide Schlösser weit unter Preis von Leopold Fugger verkauft. Auf Schloß Tratzberg gibt es noch immer eine Anzahl von Porträts von Mitgliedern des Hauses Fugger, und das Andenken an die Familie Fugger ist auch in den Bezeichnungen »Fuggerstube und Fuggerkammer« lebendig.<60>


Schad Tirol
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Legende
Die Heiratsverflechtungen des Hauses Fugger mit dem Tiroler Adel
Susanna Fugger  1539-1588 oo 1555 Balthasar Trautson, Freiherr von Matrei
Anton Fugger  1681-1745 oo 1707 Elisabeth Theresia Trauson, Gräfin von Falkenstein  1687-1766
Barbara Fugger  1527-1573 oo 1548 Ferdinand von Vels (Völs)  +1558
Raymund Fugger 1553-1606 oo 1583 Juliana von Hendorf  1559-1611
Adalberta Fugger  1560-1611 oo 1582 Christoph Freiherr von Welspberg  1556-1634
Johann Otto Fugger 1631-1687 oo 1607 Clara Dorothea Gräfin von Welsperb-Primör  1647-1711
Violante Fugger  1683-1704 oo 1702 Carl Graf von Welsperg  1678-1723
Anton Rupert Christoph Fugger  1683-1704 oo 1710 Maria Anna Gräfin von Welsperg 1683-1770
Josepha Fugger  1710-1794 oo II.1728 Bonaventura Graf von Welsperg  1677-1745
Johann Nepomuk Fugger  1724-1781 oo 1749 Maria Anna Gräfin von Welsperg 1728-1809
Johanna Fugger 1558-1598 oo 1576 Carl Graf von Wolkenstein  1553-1618
Graf Georg Fugger 1560-1634 oo 1583 Helena Freiin von Madruzzo +1668
Graf Heinrich Raymund Fugger  1611-1656 oo 1636 Maria Christina Gräfin von Lichtenstein 
Georg Fugger  1518-1569 oo 1542 Ursula Gräfin von Lichtenstein +1573
Ursula Fugger  1562-1602 oo 1585 Caspar Freiherr von Meggau (Meckau)  +1588
Veronika Fugger  1524-1568 oo 1542 Daniel Felix Freiherr zu Spaur   +1567
Regina Fugger  1581-1633 oo 1603 Daniel Felix Freiherr von Spaur und Valör +1612
Maria Fugger  1593-1635 oo II.1634 Paul Freiherr zu Spaur
Maria Anna Fugger 1659-1683 oo 1683 Franz Paris Graf von und zu Spaur +1718
Sophia Fugger 1762-1824 oo 1808 Aloys Graf von Apur und Flavon zu Valör 1762-1820
Sibylla Fugger 1585-1663 oo 1602 Maximilian Graf von Lodron +1635
Franz Joachim Fugger 1658-1685 oo II.1680 Maria Felicitias Elisabeth Gräfin von Lodron 1650-1721
Maximilian Joseph Fugger 1661-1731 oo II.1686 Elisabeth Gräfin von Lodron 1650-1721
Maria Josepha Walburga Fugger 1722-1795 oo 1741 Joseph Graf von Lodron 1711-1787
Sebastian Fugger 1715-1763 oo 1742 Elisabeh Gräfin von Firmian 1722-1782


Anmerkungen
1 Friedrich W. Euler, Wandlungen des Konnubiums im Adel des 15. und 16. Jahrhunderts. In: Deutscher Adel 1430-1555 (Budinger Vortrage), hrsg. von Hans Rossler, Darmstadt 1976, S. 81.
2 Katarina Sieh-Burens, Oligarchie, Konfession und Politik im 16. Jahrhundert. Zu sozialen Verflechtung der Augsburger Bürgermeister und Stadtpfleger 1518-1618 (Schriften der Philosophischen Fakultat der Universität Augsburg, hrsg. von Josef Becker und anderen), Nr. 29, Munchen 1986, S. 93.
3 Die genealogischen Angaben stammen, wenn nicht anders vermerkt, aus: Gerhart Nebinger und Albrecht Rieber, Genealogie des Hauses Fugger von der Lilie, Stammtafeln, Tübingen 1978.
4 Josef Hirn, Erzherzog Ferdinand II. von Tirol. Geschichte seiner Regierung und seiner Lander. 2 Bde., Innsbruck 1885 und 1888, hier Bd. 2, S. 3.
5 Bay HStA, Personalakte Kar. 91. Sieh-Burens, S. 48. Peter Steuer, Die Außenverflechtung der politischen Fuhrungsschicht der Reichsstadt Augsburg, Augsburg 1985, Anhang (masch. diss.)
6 Josef Gelmi, Die Brixner Bischöfe in der Geschichte Tirols, Bozen 1984, S. 156.
7 Karl Wolfsgruber, Das Brixner Domkapitel in seiner personlichen Zusammensetzung in der Neuzeit 1500-1803, Innsbruck 1951 (Schlern-Schriften, hrsg. von R. Klebelsberg), S. 236.
8 Ebd., S. 228.
9 Ebd., S. 203.
10 Ebd., S. 204 und S. 284.
11 Vgl. dazu Martha Schad, Die Frauen des Hauses Fugger von der Lilie (15.-17. Jahrhundert), Tübingen 1989 (Studien zur Fugger-Geschichte, Bd. 31, hrsg. von Hermann Kellenbenz).
12 Wolfsgruber, S. 171.
13 Hirn, Bd 2 S. 8
14 Otto Braunsberger, Beati Petri Canisii, Societatis Iesu, Epistulae Et Acta, Bde. 8, Friburgi Brisgoviae MCMI, hier Bd. III, S. 145. Hirn, Bd. 1, S. 145.
15 Braunsberger, Bd. V, 1358. Hirn, S. 147. Johannas Brüder waren, außer Graf Friedrich, evangelisch. Er schrieb ihr, sie solle nach Oettingen zurückkommen.
16 Hirn, Bd. 1, S. 150.
17 Vgl. dazu Schad, Kapitel III.
18 Vgl. dazu H. Kohl, Der Dom zu Augsburg, Augsburg o. J., S. 14. Der Canisius-Altar befindet sich im Augsburger Dom am dritten südlichen Pfeiler gegenüber der Kanzel.
19 Vgl. dazu Fugger Gesamthaus, Stammtafel des mediatisierten Hau­ses Fugger, Augsburg 1904, Tafel 8.
20 Jacobo Schmid, Leben Der Hoch-Edlen Frauen Sybilla Gräfin von Lodron Gebohrnen Fuggerin, Augsburg 1732, S. 132. In: Jacobo Schmid (Hrsg.): Heiliger Ehren-Glantz der Gefürsteten Grafschaft Tyrol, Augsburg 1732, S. 129-149.
21 Andreas Ulmer, Die Burgen und Edelsitze Vorarlbergs und Liech­tensteins, Dornbirn  2 1978, S. 247.
22 Jürgen Bücking, Friihabsolutismus und Kirchenreform in Tirol (1565-1665). (= Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte, Mainz, Bd. 66, Abteilung Abendländische Religions­schichte, hrsgvyon LortzJ].), Wiesbaden 1972, S. 29.
23 Der in deutscher Sprache verfaßte Heiratsvertrag wurde vom bi­scöoflichen Sekreäar Carlo di Guiliana ins Italienischeüubersetzt. Beide Fassungen befinden sich in der Biblioteca Comunale, Trento, ms. 358, cc 51-58. Fugger-Archiv 1.2.28.
24 Steuer, Anhang Verzeichnis der Augsburger Fürstendiener und Rate (1550-1620) Fugger.
25 Meyer, S. 73.
26 Jürgen Bücking, Kultur und Gesellschaft in Tirol urn 1600. Des Hippolytus Guarinonius' "Grewel der Verwüstung Menschlichen Geschlechts« (1610) als kulturgeschichtliche Quelle des frühen 17. Jahrhunderts (= Historische Studien, Heft 401), Liibeck und Hamburg 1968, S. 169.
27 Josef Hirn, Erzherzog Ferdinand II. von Tirol, Bd. 2, S. 363.
28 Laura Dal Prà, La capella dei santi Martiri Ananuniesi in palazzo Fugger-Galasso a Trento: appunti storici e artistice. In: Studi Tren­tini Di Scienze Storiche, 2, Trento 1983, S. 167-296. Siehe auch den Aufsatz in diesem Katalog.
29 G. M. Rauzi, Alla scoperta di Trento, Trento 1970, S. 128.
30 Christoph Michel (Hrsg.), Johann Wolfgang Goethe, Tagebuch der italienischen Reise 1786, Frankfurt am Main 1976, S. 42.
31 M. Lupo, und J. Klienmann, Villa Margone a Trento e il cicio affres­cato delle vittorie di Carlo V, Trento 1983, S. 9.
32 Rauzi, S. 130.
33 Vgl. dazu Franz zu Sayn-Wittgenstein, Südtirol und das Trentino, München 1976, S. 340. Dort sind einige Angaben zur Villa Margone zu verbessern. Georg Fugger ließ die Villa zwar umbauen, aber nicht, um dort den zum Trientiner Konzil angesagten Kaiser zu beherbergen, denn 1545 waren die Fugger noch nicht Besitzer des Hauses.
34 Josef Hirn,Trautson gegen Fugger. In: Forschungen und Mitteilungen zur Geschichte Tirols und Vorarlbergs I, 1904, S. 23-52, hier: S. 26.
35 Ders., Erzherzog Maximilian der Deutschmeister, Regent von Tirol, Bd. 2, Innsbruck 21981, S. 176.
36 Hirn, Trautson gegen Fugger, S. 41.
37 Ebd.
38 Ders., Erzherzog Maximilian, S. 176.
39 Ders., Trautson gegen Fugger, S. 45.
40 Ders., Trautson gegen Fugger, S. 44 f.
41 Bücking, Kultur und Gesellschaft, S. 146 f.
42 Ebd., S. 147.
43 Bücking, Kultur und Gesellschaft, S. 146.
44 Ebd., S. 150.
45 Fugger-Archiv 1.2.28.
46 Fugger-Archiv 1.2.58.
47 Fugger-Archiv 22.6.
48 Fugger-Archiv 22.6.
49 Schmid, S. 130.
50 Ebd.
51 Ausführliche Quellenangaben zu Sibylla Lodron-Fugger: Schad, Kapitel V. II. 2 , Anm. 661.
52 Fugger-Archiv 22.6 Heiratsbrief mit sechs Wachssiegeln und einer gold-blauen Korde! versehen, aber in unleserlichem Zustand.
53 Sayn-Wittgenstein, S. 335.
54 Hirn, Erzherzog Ferdinand, Bd. 2, S. 12 f.
55 Quintilio Perini, La Famiglia Lodron di Castelnuovo e Castellano. In: Atti delia I. R. Academia di scienze lettere ed ani degli agiati di Rovereto (XV, Famiglie nobili Trentine), Rovereto 1909.
56 Beda Weber, Giovanna Maria della Croce und Ihre Zeit. Ein Le­bensgemalde aus dem siebzehnten ]ahrhunden, Regensburg 1846.
57 P. Federico Da Baselga, La Fondatrice. In: Venerabile Giovanna Maria delia Croce (1603-1673) nel III centario delia mone, hrsg. von Parrocchia di San Marco, Rovereto (Trento) 1973, S. 45-54, hier S. 50.
58 Marcello Armani, II cordoglio rattemprato. Orazione funebre in mone di Sour Anna Maria di Gesul, al secolo Sibilla contessa die Lodrone, nata Fuggeri. Dedicata all'Illustrissimo Signore e patrone colendissimo il sig. conte Nicolo Fuchero fratello dell'lll. ma fonda­trice, ed a tutta I'll!. ma famiglia Fuchera, Trento, 1663.
59 S. Perini, 80. Gina Adami, Dal palazzo Galasso di Trento al mona­stero di S. Carlo di Rovereto. Sibilla Fugger ved. Lodron. In: "Strenna Trentina«, XXXVIII, Trento 1961, S. 71-74.
60 Fugger-Archiv 57.1.4. Sighard Graf Enzenberg, Schloß Tratzberg. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte Tirols. (Schlern-Schriften, hrsg. von R. Klebelsberg), Innsbruck 1958, S. 62-65. W. A. Baillie-Groh­mann, Schloß Matzen im Unterinntal, Innsbruck 1907, S. 34-36.

Quellen: AV: Martha Schad, Die sozialen und familiengeschichtlichen Verflechtungen des Hauses Fugger mit dem Adel Tirols, in Beiträge zur Ausstellung Schwaben/Tirol Rosenheimer Verlagshaus 1989
Veröffentlichung im Internet mit freundlicher Genehmigung von Frau Martha Schad vom 28-Jul-2008

siehe auch R: Martha Schad, "Die Frauen des Hauses Fugger von der Lilie", Tübingen 1989, S. 22ff.
die Links bei der einzelnen Personen der Familie Fugger führen auf meine Datenbank hwember1

Heinz Wember
Änderungsstand: 14-Apr-2009 06:25